Tragödie von Ratzenried: Feuermelder war deaktiviert

Familienvater wollte mit Brandmelder Hilfe rufen, der seit 2002 abgeschaltet war Von Yannick Dillinger Ratzenried Hätten die Retter von Feuerwehr, Rotem Kreuz und Polizei bei dem verheerenden Hofbrand von Ratzenried (Landkreis Ravensburg) in der Nacht auf den 8. Oktober lebensrettende Minuten eher vor Ort sein können, wenn am Ratzenrieder Rathaus nicht ein Feuermelder installiert wäre, der seit neun Jahren abgeschaltet ist? Diese Frage beschäftigt die Region. Eine Vierjährige und ihr elf Jahre alter Bruder waren in den Flammen ums Leben gekommen. Fakt ist: Der 44-jährige Familienvater fuhr in der Nacht mit seinem Traktor auf direktem Weg die zweieinhalb Kilometer zur Ortsmitte in Ratzenried. Seine verzweifelten Versuche, Tochter und Sohn aus dem brennenden Obergeschoss zu retten, waren fehlgeschlagen, das Feuer versperrte den Zugriff auf Telefon und Autoschlüssel. „Am Rathaus betätigte er den Feuermelder, der aber nicht reagierte“, erklärt Peter Korn, Pressesprecher der Polizeidirektion Ravensburg. Den Notruf habe der Mann dann bei einem Bekannten abgesetzt, der in der Nähe des Rathauses wohnt. Wie viel Zeit zwischen dem Einschlagen des Feuermelders und dem tatsächlichen Absetzen des Notrufs verging, ist noch unklar. Der Feuermelder konnte gar nicht reagieren, da er 2002 im Zuge der Umstellung vom analogen auf das digitale Alarmierungssystem abgeschaltet wurde. Das hat Josef Köberle, Bürgermeister der Gemeinde Argenbühl, zu der der 1172-Einwohner-Ort Ratzenried gehört, gestern auf Nachfrage der Schwäbischen Zeitung bestätigt. „Sicher wäre es gut gewesen, wenn wir den Apparat schon lange hätten abmontieren lassen“, sagt der Rathaus- chef. Offenbar sei nicht allen Bürgern bewusst gewesen, dass die Anlage abgeschaltet ist, erklärt Köberle weiter. Der Gemeindeverwaltung Argenbühl hätte bewusst sein müssen, dass ein deaktivierter, aber noch installierter Feuermelder für Missverständnisse sorgen kann, sagt ein Sprecher des baden-württembergischen Innenministeriums im Hinblick auf den Ratzenrieder Fall. Diese Erkenntnis bringe schon „das Einschalten des gesunden Menschenverstands“ mit sich. Rechtlich indes ist der Gemeinde nichts vorzuwerfen. „Kommunen sind nicht verpflichtet, deaktivierte Feuermelder abzunehmen“, erklärt Oliver Surbeck, Kreisbrandmeister im Landkreis Ravensburg. Die Entscheidung, den deaktivierten Feuermelder an Ort und Stelle zu lassen, wurde laut Surbeck alleine von der Gemeinde getroffen. Der Landkreis habe damit nichts zu tun gehabt. Bei der Umstellung vor neun Jahren seien die Gemeinden angehalten worden, ihre kommunalen Alarmierungssysteme zu überdenken. Einige, wie auch Argenbühl, hätten sich für die Abschaltung der öffentlichen Feuermelder entschieden, andere hingegen hätten eine Zwitter-Lösung installiert – sprich: die Feuermelder neben den digitalen Funkmeldern aktiviert gelassen. Es sei durchaus möglich, sagt der Sprecher des Innenministeriums, dass auch in anderen Kommunen im Süden und Südwesten noch deaktivierte Feuermelder hängen. Argenbühl will schon bald nicht mehr zu diesen Kommunen gehören. Ursprünglich hatte die Gemeinde laut Köberle geplant, den Melder erst im Zuge einer Rathaussanierung abzumontieren: „Wenn eh was am Haus gemacht worden wäre.“ Davon sei er nun abgerückt. So schnell wie möglich werde die Anlage abgenommen, Fehlinterpretationen möchte er in Zukunft von vorneherein ausschließen. Derweil ist die Zukunft der Familie, die in der Nacht auf 8. Oktober fast alles verlor, ungewiss. Zwar konnte das dritte Kind, die sechsjährige Tochter, recht schnell das Krankenhaus wieder verlassen. Ihre Eltern sind aber noch in Behandlung. Die 39-jährige Mutter befindet sich weiter auf der Intensivstation. Der Vater kann die Klinik zumindest stundenweise verlassen. Unter anderem war er vergangene Woche auf der Beerdigung seiner Kinder. Weiterhin groß ist die Anteilnahme der Bevölkerung. Rund 170 000 Euro sind schon auf die beiden Spendenkonten der Gemeinde eingezahlt worden. Hinzu kommen viele Sachspenden, die im Rathaus abgegeben wurden. „Eine Familie hat ihre komplette Küche vorbeigebracht“, sagt Josef Köberle. Das finanzielle Leid könne so vielleicht ein bisschen gelindert werden. „Aber zur seelischen Verarbeitung dieses riesigen Schocks braucht es wohl viel, viel Zeit“, glaubt der Rathauschef. (Erschienen: 17.10.2011 23:00) QUELLE:http://www.schwaebische.de/region/allgaeu/wangen/rund-um-wangen_artikel,-Tragoedie-von-Ratzenried-Feuermelder-war-deaktiviert-_arid,5148352.html

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